Der Vorschlag, es für mein Analogien-Projekt mit »Grenzen« zu versuchen, stammt von ChatGPT. Was fällt mir zu Grenzen ein? Natürlich ist der erste Gedanke: Landesgrenzen. Leicht umzusetzen (dachte ich). Aber danach wird es schwierig. Klar kommen einem gleich einmal weitere Ideen, wie persönliche Grenzen, physische Grenzen, psychische Grenzen oder die Grenzen des Wachstums. Aber wie stellt man das in einem Bild dar?
Klar verbinden wir physische Grenzen mit Marathon. Aber das bedeutet nicht, dass Marathon mit Grenzen assoziiert wird. Nicht vorrangig. Ein Bild eines Marathons erinnert zunächst einmal an Marathon (eh klar!), dann an Sport, Ausdauer, Anstrengungen. Aber Grenzen? Früher oder später, vielleicht. Aber wie ich den Teilnehmer:innen meiner Lehrgänge immer wieder sage: Assoziationen funktionieren in der visuellen Kommunikation nur, wenn sie das erste Glied der Assoziationskette sind. Alles was danach kommt, vermittelt die Botschaft nicht ausreichend intuitiv.
Zugegeben: Würde man Menschen nach Assoziationen zu einem Foto eines Gartentors mit einem »Private«-Schild, eines Rasens, der nicht betreten werden darf, oder eines Kletterers in einer gefrorenen Steilwand fragen, würde »Grenzen« auch nicht unbedingt als Erstes genannt. Aber ich glaube, sie vermitteln zumindest das Gefühl, das mit Grenzen verbunden ist.
Auch die Ideen »Private«-Schild und verbotener Rasen sind mir erst nach einiger Zeit gekommen (mir – die Vorschläge von ChatGPT waren, wie meist, kaum brauchbar).
Die erste Idee, die ich tatsächlich angegangen bin, war die gläserne Decke, noch vor den Landesgrenzen. Und dabei bin ich gleich einmal auf ein Problem gestoßen: ChatGPT weigerte sich, das Motiv umzusetzen, weil es gegen die Richtlinien verstoßen würde.
ChatGPT: »Leider reagiert das System manchmal übervorsichtig, insbesondere bei: Menschen in verletzlichen Posen, z. B. gedrückte Hände gegen Glas; Stereotypisierbaren Situationen wie ›Frau + Aufstieg + Grenze‹; oder wenn etwas als potenziell sensibel falsch interpretiert wird – selbst wenn es visuell harmlos ist.«
Ich kann nachvollziehen, dass KI Regeln und braucht, was sie erzeugt und wo sie Grenzen zieht. Aber wenn es unmöglich ist, mit einer generativen KI Bilder zu erzeugen, die auf Missstände aufmerksam machen sollen, dann ist sie unbrauchbar. Das Letzte, wofür ich sie brauche, ist, um damit Drachen, Einhörner, Fahrradfahrenden Katzen oder utopischen Welten zu generieren. Und der Umstand, dass sich der OpenAI-CEO dem US-amerikanischen Diktator anbiedert, der jedem Rechte nimmt, der nicht weiß, männlich und heterosexuell ist und Konzentrationslager aufstellen lässt, macht solch scheinheiligen Beschränkungen zur völligen Farce.
Sora ist noch nicht so beschränkt wie ChatGPT und hat mir dann ein akzeptables Resultat geliefert. Die Betonung liegt auf Akzeptabel. Wie so oft muss ich dabei zumindest ein Auge zudrücken. Es lässt sich nicht abstreiten, dass sich mit KI großartige Bilder von Drachen, Einhörnern, Fahrradfahrenden Katzen und utopischen Welten generieren lassen. Doch das Generieren realer Szenen, die nicht einfach nur ein Subjekt wiedergeben und/oder stylish aussehen sollen, ist jedes Mal wieder eine Herausforderung, oft auch, wenn man es gar nicht erwarten würde.
Nicht erwartet hätte ich, dass das Erstellen eines Grenzübergangs zur Herausforderung werden könnte.
Zuerst bestand das Problem, dass ChatGPT in jedes Motiv die Leiter des »gläserne Decke«-Motivs eingebaut hat, überwiegend auf recht surreale Weise. Als surreales Motiv eventuell eine Veröffentlichung wert, aber absolut nicht, was ich wollte.
Ich habe ChatGPT dann ein Bild eines Eichhörnchens erstellen lassen, was ihm ohne Leiter gelungen ist, und danach waren die Leitern auch bei den Grenzübergängen weg.
Übernommen habe ich am Ende ein von Sora generiertes Motiv – trotz des Schilderwaldes und der deutlichen Abweichung vom Bild in meinem Kopf. Eigentlich hätte das Bild einen hochgezogenen Grenzbalken enthalten sollen. Aber einen realitätsnahen Grenzbalken hat keine KI hergebracht.
ChatGPT hat sich wegen »ethischer Bedenken« noch drei weitere Male geweigert, mein Motiv umzusetzen: Beim Vater, der sein Kind zurechtweist, beim Rollstuhlfahrer vor einer unüberwindlichen Treppe und beim gerade Verstorbenen, der die Grenze vom Leben ins Jenseits überschreitet.
ChatGPT und Sora sind deutlich besser darin, die Szenen, die ich im Kopf habe, auf den Bildschirm zu bringen, und in der neuen Version sowie in Sora sieht das jetzt auch nicht mehr so künstlich aus, wie in DALL-E. In Midjourney ist das nach wie vor ausgesprochen mühsam, ganz abgesehen von der Unfähigkeit, Text zu generieren. Aber im Rahmen der eng gesetzten Grenzen ist ChatGPT für mich völlig unbrauchbar. Deshalb habe ich nach einer Alternative gesucht, und mit Leonardo.AI scheine ich eine gefunden zu haben, die für meine Anforderungen deutlich besser geeignet ist, als Midjourney, ChatGPT und Sora.
Was mir an Leonardo außerdem hervorragend gefällt: Die KI kommt aus Australien und ist eine Canva-Tochter.
Ich arbeite daran, US-amerikanische Programme durch Alternativen zu ersetzen, dabei aber nach Möglichkeit nicht auf China auszuweichen. Dropbox habe ich durch pcloud aus der Schweiz ersetzt, die Ami-Browser durch Vivaldi aus Norwegen und ChatGPT einmal versuchsweise durch Mistral aus Frankreich (Teaser: Mistral kann auch ausgezeichnet Bilder generieren).
Amüsant: ChatGPT hat gerade beim Stichwort »Grenzen« Grenzen gezogen, die mich OpenAI den Rücken kehren lassen. Bleibt zu hoffen, dass keine Umstände eintreten, die mich zu einer Rückkehr zwingen.
Was wäre dir zum Thema »Grenzen« eingefallen? Hinterlasse gerne einen Kommentar!
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