Analogien: Balance

12. Oktober 2025

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Wenn ich über KI schreibe, kann das nur für den Bereich gelten, in dem ich tätig bin. Ich weiß also nicht, ob sie kurz vor einem Durchbruch in der Heilung von Krebs steht.

Sprach-KI ist für mich ein praktisches Werkzeug, wenn es um die Entwicklung kreativer Ideen geht. Aber eben nur ein unterstützendes Werkzeug – ein virtueller Sparringspartner für Brainstormings. Diesbezüglich hat die KI sogar einen Vorteil gegenüber menschlichen Brianstorming-Partnern: Sie hat kein Ego, das eigene Ideen durchsetzen möchte. Ich kann mit ihr kompromisslos meine kreativen Einfälle entwickeln. Natürlich hat es den Nachteil, dass sie nicht objektiv und völlig unkritisch ist. Wo ein menschlicher Partner melden würde, wenn man auf dem Holzweg ist, neigt die KI eher dazu, einen auch in den blödsinnigsten Ideen zu bestärken.

Schwieriger wird der Einsatz von KI, wenn es um die Erarbeitung faktenbasierter Texte geht. Ich nehme an, es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass ein maßgeblicher Teil dessen, was die Chat-Programme von sich geben, zusammenfantasierter Unfug ist. Man darf ihr nichts glauben, von dem man nicht aus eigener Erfahrung sicher ist, dass es den Fakten entspricht. Ich nutze KI als Recherche-Tool, aber es bleibt nichts ungeprüft, von dem ich mir über die Stichhaltigkeit im Unklaren bin.

Noch kritischer sehe ich die Sache mit von KI generierten Bildern und Videos. Sie schafft es zwar schon lange einfache Motive fotorealistisch umzusetzen, aber sobald die Sache nur ein bisschen komplex wird und das Motiv die Realität spiegeln soll, wird der Kampf mit der KI zur Sisyphos-Aufgabe. Ja, sie ist großartig darin regenbogenfarbene Einhörner und Shrimp-Jesuses zu generieren. Aber wie oft seht ihr realistische Szenen – Fotos oder Videos – die von einer KI erstellt wurden in der Praxis? Ich kann mich an nicht viel erinnern, wenn es über die Darstellung eines Subjekts ohne Interaktion hinausgeht.

Es gibt inzwischen einen Begriff für die völlig sinnbefreiten Motive, mit denen KI inzwischen das Internet flutet: AI-Slop (siehe Wikipedia). AI-Slop ist etwa so sinnvoll wie Spam und es wird bereits darüber spekuliert, dass der virtuell generierte Ramsch der Tod des Internets sein könnte. Ein großer Teil der Gesellschaft scheint ja noch recht gutgläubig und unkritisch mit dem umzugehen, was im Web zu sehen (und hören) ist. Tatsache ist, dass wir keinem Bild, keiner Gesichte und keiner (virtuellen) Person mehr trauen können. Stolpere ich über eine interessante Band, möchte ich erst wissen, ob sie tatsächlich existiert oder in den Untiefen einer virtuellen Intelligenz geboren wurde. Und nein: Mir ist es nicht egal, war oder was hinter Musik und Kunst steckt. Vanessa Wingårdh hat ein interessantes Video mit dem Titel »AI Was Supposed to Cure Cancer – We Got This Instead« auf YouTube veröffentlicht.

Bei meinem Analogien-Projekt geht es nicht zuletzt darum, die praktischen Möglichkeiten und Grenzen von KI für die Bilderzeugung auszuloten. In der Praxis der visuellen Kommunikation kann ein Bild eines regenbogenfarbenen Einhorns ja vielleicht einmal ganz witzig sein und ich verwende gerne KI-Bilder als Eyecatcher für Beiträge auf LinkedIn. Aber meist benötigt man im Kommunikationsdesign glaubhafte Szenen. Das ist es, was jeweils Ziel der Aufgaben dieses Projekts ist. Dabei nehme ich mir durchaus die Zeit, verschiedene Lösungswege auszuprobieren – das kann auch einmal eine Stunde oder zwei sein. Bin ich dann immer noch nicht beim Resultat, gebe ich den Versuch auf. Es macht keinen Sinn, endlos Zeit in den Kampf mit der KI zu investieren.

Bei den Resultaten ist es mir wichtiger, dass die Szene so aussieht, wie ich sie mir vorstellen – sie muss die Botschaft transformieren! Wenn das nicht fotorealistisch möglich ist, schlucke ich die Kröte, wenn die Szene (einigermaßen) stimmt. In der tatsächlichen Praxis ist das jedoch inakzeptabel.

Das schwierigste Motiv zum Stichwort »Balance« war der Einradfahrer. Jedenfalls von den Motiven, die es in die Galerie geschafft haben. Am Versuch eine Person auf Inlineskates zu generieren, bin ich gescheitert – selbst als ich es aufgegeben habe, dass die Szene Slalomskating zeigen sollte. Korrekte Skaterollen hat die KI nicht hergebracht.

Auch beim Einradfahrer musste ich beim Ergebnis ein Auge zudrücken. Die verschiedenen KIs, mit denen ich es versucht habe, haben nicht verstanden, was ein Einrad ist. Befinden sich in ihren Trainingsdaten nicht ausreichend Motive über ein Subjekt oder eine Szene, ist sie zum Scheitern verurteilt. Das unterscheidet KI von einem Illustrator bzw. einer Illustratorin. Wenn ich einer Illustratorin kurz erkläre, was ein Einrad ist und wie es funktioniert, wird sie es mit etwas Hilfe korrekt zeichnen können. KI kann das nicht.

Wir hören gefühlt wöchentlich von neuen Durchbrüchen in der KI. Aber wenn ich die neueste bilderzeugende KI teste, die gerade alles ändern soll, stoße ich auf dieselben Probleme, an denen KI bereits vor zwei Jahren gescheitert ist. Auch Nano Banana versteht nicht, was ein Spiegel ist und wie er funktioniert. Das Programm generiert bei diesem Motiv dieselben Fehler, wie Midjourney vor 82 Wochen.

Damit will ich nicht behaupten, dass nichts vorangegangen ist. Aber die permanent verkündeten Durchbrüche sind überwiegend Hype. Es ist eher ein Vorwärtstrippeln, als ein Voranschreiten in großen Schritten. Und am Ende sollten wir uns fragen, wohin es führt.

Weitere Begriffe und Galerien findest du im Beitrag »Analogien, Assoziationen, Symbole«.