Wenn es um viel Auflösung geht, ist meist auch vom Croppen die Rege – vom Zuschneiden auf einen kleinen Ausschnitt. Wer gerne Wildtiere fotografiert, weiß, wie schwierig es ist den meisten für eine Formatfüllende Abbildung ausreichend nahe zu kommen. Wirklich gute Aufnahmen gelingen in der Regel nur mit Ansitzen und Geduld oder viel Glück. Das natürliche Werkzeug des Fotografen die Distanzen so gut als möglich zu überbrücken heißt Brennweite – lange Brennweite!
Die digitale Fotografie hat in Sachen den Tieren näher kommen die Karten neu gemischt – wie in vielen Dingen. Wer Sensoren kleiner als Vollbild nutzt profitiert von der sogenannten Brennweitenverlängerung: Bei APS-C kommt man bei 400mm dem Subjekt um den Faktor 1,5 näher als mit Vollformat, bei MFT um den Faktor 2. Weiß eh jeder.
Vollformat kann allerdings diesen Faktor weitgehend neutralisieren, da das Format auf der größeren Fläche mehr Auflösung bzw. besseres Rauschverhalten unterbringen kann. Ein Beispiel: Eine Vollformatkamera mit 80MP würde bei 400mm ein Subjekt in einer gegebenen Entfernung mit derselben Auflösung auflösen, wie eine MFT-Kamera mit 20MP die bei 400mm wegen der Brennweitenverlängerung auf 800mm KB kommt. Ob so eine FF-Kamera sinnvoll wäre, sollte jeder selbst einmal überlegen, schließlich hätte sie dieselbe Pixeldichte wie MFT, müsste also auch vergleichbares Rauschverhalten zeigen, die Verarbeitung am Computer dürfte aufgrund der enormen Daten enorm zäh von statten gehen und man würde für diese Nachteile auch noch das mehrfache Gewicht mit sich herum schleppen.
Um es noch einmal richtig zu stellen: Es wird immer behauptet ein MFT-Sensor sei halb so groß, wie Vollformat. Das ist falsch! Die Seitenlänge beträgt die Hälfte! Das heißt die Fläche des Sensors beträgt ein Viertel!
Aber kommen wir zum eigentlichen Kern dieses Artikels: Wie viel Crop erlauben 20MP MFT?
Trotz 600mm KB oder 840mm KB, was bei mir meist zum Einsatz kommt, komme ich selten ausreichend nahe an Vögel und Rehe heran, um sie formatfüllend abzubilden. Das heißt das Gros dieser Aufnahmen wird auf einen kleineren Bereich zugeschnitten. Soweit als möglich versuche ich nicht kleiner als 3000px × 2000px zuzuschneiden. Schon jemand im Kopf wie viel Megapixel das sind? 6000.
Das heißt, das Gros der Tierbilder die ich zeige sind auf dieses Format zugeschnitten. Viele jedoch erfordern noch einen engeren Ausschnitt. Die Grenze ziehe ich bei 2500px. So lange ich kein Poster drucke ist auch das ausreichend für eine tadellose Bildqualität. Bilder die ich beispielsweise auf 500px hoch lade sind oft noch geringer aufgelöst – kaum ein Bildschirm kommt auf über 2048px Breite. Meine Tiere auf 500px könnt ihr hier anschauen.
Kommen wir zur relevanten Ausnahme: Prints. Wie groß kann ich ein 20MP-Bild einer MFT-Kamera ausdrucken, das auf 2500px × 1667px (4,16MP) zugeschnitten worden ist? Um dieser Frage näher zu kommen habe ich aus dem unten abgebildeten Original einen entsprechenden Ausschnitt heraus geschnitten. Das heißt der Ausschnitt beträgt knapp ein Viertel des Originals (Originalauflösung: 5184px × 3888px; 20,15MP).
Den Ausschnitt habe ich auf meinen Epson-Fotodrucker geschickt, auf premium semigloss Fotopapier im Format A3+ (329mm × 483mm). Die Bildauflösung des Ausschnitts ergab auf das gewählte Papierformat 129ppi.
Ich kann euch jetzt das Ergebnis über Web nicht sinnvoll zeigen. Jede Art der Bildschirmwiedergabe würde das tatsächliche Druckresultat verzerren. Um es beurteilen zu können müsstet ihr vorbei kommen und den Print in Augenschein nehmen.
Würdet ihr das tun, würdet ihr mit der Nase bis ans Glas des Bilderrahmens, in den ich das Bild gehängt habe, gehen, um die Details zu beurteilen. Und ihr würdet dann sagen, dass man dem Bild schon deutlich ansieht, dass es mit relativ geringer Auflösung gedruckt wurde und dass die Details gleichermaßen verschwommen wie überschärft sind.
Tatsächlich würde ich das Bild eigentlich auch nicht aufhängen – da stünde die Eitelkeit davor. Aber ich lasse es jetzt trotzdem hängen, denn ich weiß, dass ein normaler Betrachter nicht bis an die Nasenspitze ans Bild geht, um die Details kritisch zu beäugen. Kaum ein Laie – einer der Menschen, für die wir eigentlich zu fotografieren behaupten – würde das Bild als mangelhaft kritisieren. Jedenfalls nicht wegen der suboptimalen Detailqualität. Ein kritischer Betrachter würde vielleicht – mit Recht! – bemängeln, dass das Bild zu eng zugeschnitten ist und ich dem armen Rotkehlchen die Füße abgeschnitten habe.
Ich sollte noch erwähnen, dass ich das Bild nicht speziell für den Print aufbereitet habe. Ich habe die Aufnahme einfach auf den Verschuchsausschnitt zugeschnitten, ohne zu versuchen irgendwelche Optimierungen in der Detailschärfe und Rauschreduzierung vorzunehmen. Wäre ich nicht so ein fauler Sack, hätte ich Spezialwerkzeuge zum Aufblasen und/oder nachschärfen nutzen können. Gebracht hätte das sicher noch einiges.
Digitalfotografie hat uns den Blick für das Wesentliche verstellt. Wir sind so fixiert auf Detailschärfe, Rauschfreiheit und Bokeh, dass wir völlig aus den Augen verloren haben, dass das unser Publikum nicht im Geringsten interessiert. Ihr Interesse erlangen wir nur mit gut gestalteten Fotos bemerkenswerter Motive. Das gilt auch für das angebetete Bokeh – das zu erfahren hat selbst mich überrascht (Bokeh wird überbewertet).
Die Digitalfotografie hat uns in einen Elfenbeinturm geführt, von dem aus wir die Zielgruppen unserer Fotos gar nicht mehr wahrnehmen. Der Grund liegt maßgeblich an der digitalen Dunkelkammer, in der wir jedes Bild in der Vergrößerung bis in jeden Pixel hinein analysieren. Macht das einmal: Öffnet ein Bild am Computer und zoomt auf 100%! Was passiert? Ihr erkennt die Schärfe im Detail, verliert aber das Ganze aus den Augen. Genau so arbeiten wir. Kein vernünftiger Fotograf wäre in analoger Zeit auf die Idee gekommen seine Abzüge mit der Lupe zu untersuchen. Er hätte ohnehin nur das Korn des analogen Films vergrößert gesehen.
Was für armselige Fotografen sind wir, wenn wir glauben nur mit der besten im Moment gerade verfügbaren Ausrüstung gute Fotos machen zu können? Dabei sehen wir in der Geschichte viel mehr exzellente Fotos, als in der Gegenwart, obwohl es lange Zeit praktisch nur Schwarzweiß gab, frühe Farbfilme in erster Linie Fehlfarben aufzeichneten, ISO1000 in aller Regel zu Fotos führte in denen das Korn der Hauptdarsteller war, professionelle DSLRs erst ab etwa 2010 über 20MP hinaus kamen, und das Rauschverhalten der damals revolutionärsten Kameras – der Nikon D3 und Nikon D700 – nicht ansatzweise an eine aktuelle Einsteiger-MFT-Kamera heranreicht.
Natürlich ist es legitim, wenn jemand ausschließlich darin Befriedigung findet, das absolute Maximum der technisch gerade noch erreichbaren Qualität zu erzielen um sich am Bildschirm in der Vergrößerung daran zu freuen. Ich habe mir sagen lassen, es gibt audiophile Menschen, die sich absolute High-End-Anlagen anschaffen, um darauf dann beispielsweise das Geräusch von Formel 1 Motoren anzuhören, und sich über die exzellente Qualität in der die Boxen das wiedergeben freuen. Das ist legitim!
Nicht minder finde ich es legitim, wenn jemand pixelio- oder detailio- oder bokehiophil ist. Ich fände es aber auch legitim, wenn sich diese Leute in eigene Foren und Communitys zurück ziehen und aufhören, Leute, die eigentlich nur gute Bilder für Betrachter machen wollen, zu missionieren und zu verunsichern.
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