Olympus: »Wir werden die Kamera-Sparte verkaufen.«
Community und Presse: »Olympus stellt das Kamerageschäft ein!«
Diese ironische Anmerkung habe ich schon am Tag nach der Ankündigung, dass Olympus in Verhandlungen über den Verkauf der Sparte trete, publiziert. Seither habe ich mich ein bisschen zum Thema recherchiert und versucht mir ein Bild zu machen, das ich mit euch teilen möchte und dabei versuche Fakten von Gerüchten und Meinungen zu trennen.
Tatsache ist, dass Olympus entgegen früherer Ankündigungen nun bekannt gibt, sich vom Imaging-Business trennen zu wollen.
Olympus’ Kerngeschäft Medizintechnik ist. Der gesamte Konzern machte laut Wikipedia 2019 einen Umsatz von 6,62 Mrd. €. Dem Vernehmen nach sollen davon etwa 5% auf die Imaging-Sparte entfallen und die hat in den letzten Jahren Verlust gemacht, während die Medizintechnik für den Konzern hoch profitabel läuft. Zum Imaging-Bereich gehören neben Kameras und deren Zubehör auch Diktiergeräte, Audio-Systeme und Ferngläser (ein Olympus Fernglas besitze ich selbst).
Um ein Gefühl für die Relation zu anderen Konzernen in der Foto-Branche zu bekommen:
- Der Sony-Konzern verzeichnete 2018/19 einen Umsatz von 72,26 Mrd. €;
- Canon setzt laut meinen Recherchen 2019 29,86 Mrd. € um;
- Für Nikon konnte ich für 2018/19 2,46 Mrd. € ermitteln, was dramatisch ist, gibt Wikipedia doch für 2014 noch 6,7 Mrd. € an;
- Für Fujifilm nennt Wikipedia für 2018 20,22 Mrd. €;
- Ricoh hat 2017 16,86 Mrd. € ausgewiesen;
- Für Panasonic schließlich nennt Wikipedia 66,7 Mrd. € für 2019.
Welchen Anteil das Kamera-Business in den jeweiligen Konzernen einnimmt, konnte ich mit vertretbarem Aufwand nicht in Erfahrung bringen. Ich gehe aber davon aus, dass lediglich bei Nikon die Foto-Sparte das Kerngeschäft ausmacht, während bei Sony und Panasonic der Anteil am Gesamtgeschäft relativ gering sein dürfte.
In der bekannt gewordenen Vereinbarung heißt es, dass im Herbst konkrete Verhandlungen beginnen und der Verkauf bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Laut Olympus werden Bemühungen fortgesetzt die Sparte Effizienter zu machen. Das unterscheidet die Marke nicht von anderen – darum bemühen sich derzeit alle. Darüber hinaus soll alles unverändert weiter laufen. Angekündigten Produkte werden eingeführt und Forschung und Entwicklung fortgesetzt. Wenn es stimmen sollte, dass Fujifilm F&E für die Kamerasparte auf Eis legt, könnte Olympus aktuell besser dastehen als das X-System.
Die einbrechenden Märkte machen den auf der Branche lastenden Innovationsdruck zum Problem. Forschung und Entwicklung kosten Geld das keiner mehr verdient. Ich würde davon ausgehen, dass die Situation für Canon und Nikon aktuell sogar kritischer ist, da sich deren etablierten DSLR-Systeme wohl langsam zu Ladenhütern entwickeln werden, während sie erst am Anfang des Aufbaus eines spiegellosen Systems stehen. Das dürfte wohl mehr Aufwand in F&E erfordern, als bei den Mitbewerbern, deren Systeme bereits recht breit aufgestellt sind. Dass man dabei die (nicht vorhandenen) Ressourcen in zwei Bereiche aufteilt, nämlich APS-C und Vollformat, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das heißt nicht, dass ich deren Chancen auf ein Überleben geringer einschätze, als bei Olympus – das wäre schon etwas weit hergeholt. Ich will nur aufzeigen, dass es die Sichere Option derzeit nicht gibt.
Olympus, so heißt es, erwarte vom Partner JIP, dass die Fortführung des Systems, die technologische Weiterentwicklung und der Kundenservice für die kommenden Jahre gesichert ist. Das kann man glauben oder nicht. Tatsache ist, Olympus hat letztes Jahr Stein und Bein geschworen, man werde sich niemals von der Imaging-Sparte trennen – man könne gar nicht ohne sie. Nun stellen sich die damals dementierten Gerüchte doch als ziemlich exakt zutreffend heraus. Man sollte aber versuchen diese Lüge objektiv zu betrachten. Wir haben gesehen, wie der Markt auf die Gerüchte reagiert hat und wie er jetzt auf die Ankündigung reagiert (Olympus ist tot!). Kein vernünftiges Management bestätigt leichtfertig vergleichbare Pläne, bevor die Tücher im Trockenen sind. Das mag dem Kunden gegenüber unfair erscheinen, doch von einem System das an wilden Spekulationen, subjektiven Vorurteilen und negativer Presse eingeht, kann der Bestandskunde schon gar kein Interesse haben. Und wie die Community auf Tatsachen reagiert, habe ich zu Beginn persifliert: Olympus kündigt den Verkauf der Sparte an, der Markt erklärt den Tod der Marke.
Je nach Standpunkt, sehen die einen in JIP Heuschrecken, die Olympus’ Kamerasparte zerlegen wollen, die Filetstückchen gewinnbringend verkaufen und den Rest auf die Müllhalde der Geschichte kippen. Die anderen sehen darin einen Investor, der ein lohnendes Geschäft wittert und Olympus auf Schiene bringen wird. Ich schließe mich derzeit keiner dieser Einschätzungen an, da beides reine Spekulation ist.
Auf Basis der derzeitigen Faktenlage ist die Behauptung Olympus ist tot falsch! Die Kameramarke Olympus lebt. Sie ist krank, aber das trifft auf den gesamten Markt zu. Ob es Olympus oder MFT in ein paar Jahren noch geben wird, ist eine reine Mutmaßung. Diese Meinung als Tatsache darzustellen ist absolut unseriös. Dass Canons und Sonys Systeme derzeit wohl die besten Karten für die Zukunft haben, ist sicher nicht zu bestreiten. Trotzdem ist keiner der nicht direkt in der Vorstandsetage eines Konzerns sitzt in der Lage zu sagen, wann welcher CEO welches Konzerns der Ansicht ist, dass man genug Geld in ein Fass ohne erkennbaren Boden geschüttet hat und die Reißleine zieht. Sony ist, soweit ich mitbekommen habe, nicht unbedingt zimperlich, wenn es darum geht unrentable Zöpfe abzuschneiden.
Niemand vermag zu sagen ob die Aktionäre den Sony-Vorstand nicht in absehbarer Zeit dazu drängen sich vom verlustreichen Kamerageschäft zu trennen, ganz egal ob man Marktführer bei Spiegellosen ist oder nicht. Niemand kann sagen, ob sich Olympus am Ende nicht doch entscheidet die Kamera-Sparte zu behalten, weil man nicht einen Teil seiner Tradition vor die Hunde gehen sehen möchte. Der Mitsubishi-Konzern beispielsweise hat meines Wissens nach vor einigen Jahren genau aus so einem Grund seine Automarke von DaimlerChrysler zurück gekauft. Ich sage nicht, dass das ein wahrscheinliches Szenario ist. Es ist eine reine Spekulation, so wie alles, was sich derzeit über die Zukunft der Kamerabranche sagen lässt.
Durch Smartphones ist der Markt für Kameras kollabiert. Auch das ist eine Tatsache. Wer gelegentlich etwas fotografisch festhalten wollte, musste vor einigen Jahren eine Kamera kaufen. Das ließ ab Ende der 90er Jahre den Markt für Digitalkameras explodieren. Heute kann das ein Smartphone besser. Man hat es immer dabei und es ist so programmiert, dass viel virtuelle Intelligenz und automatische elektronische Verbesserung das beste aus jeder Aufnahme herauszuholen und dem Anwender jedes technische Know-how abnimmt. Um Vergleichbares mit einer Kamera zu erzielen, muss man den Umgang damit erst erlernen und Erfahrung sammeln, und vieles erfordert dann auch noch die manuelle Entwicklung in der digitalen Dunkelkammer.
Der Markt der Anwender die einfach nur draufhalten und abdrücken wollen ist für die Kamerahersteller definitiv tot. Der wird nicht zurück kommen. Digitalkameras werden gerade vom Apparat, den jeder braucht der Bilder machen möchte, zum Werkzeug für Berufsfotografen und Privatanwender mit Anforderungen über die Fähigkeiten eines Smartphones hinaus.
Keine Frage: Smartphones lassen sich mittlerweile in manchen Bereichen auch professionell einsetzen und manchmal, beispielsweise wenn man unauffällig bleiben möchte, sind sie echten Kameras überlegen. Aber es gibt auch Aspekte, bei denen ich mir nicht vorstellen kann, dass Handys im Taschenformat irgendwann die Möglichkeiten von Systemkameras erreichen werden. Das Handling eines Smartphones ist nicht mit dem einer griffigen Kamera vergleichbar. Ergonomie und Bedienung sind grottenschlecht. Man ist geneigt während des Fotografierens zu beten, dass es einem nicht aus den Fingern gleitet. An einer Kamera weiß ich den Sucher zu schätzen und wer schon einmal mit Klappdisplay arbeitete will wohl keine Kamera mehr ohne.
Mir fehlt im Moment die Phantasie für ein Smartphone das vergleichbare Aufnahmen, wie eine Systemkamera mit 600mm Brennweite ermöglicht. Der Sinn von Smartphones mit 100MP-Sensoren ist mir schleierhaft. Schon bei den im Vergleich zu Smartphone-Kameras riesigen MFT-Sensoren kennen wir das Problem, dass sich eine zu hohe Pixeldichte negativ auf das Rauschverhalten und die Lichtausbeute auswirkt und ich denke das physikalische Problem der Beugungsunschärfe dürfte da auch noch mit ins Spiel kommen.
Dabei ist es Unsinn Auflösung regulärer Digitalkameras mit denen von Smartphones 1:1 zu vergleichen. Die Prozesse die zum Bild führen sind völlig unterschiedlich. Interpretation, Interpolation und Bildoptimierung dürften beim Handy eine ganz andere Rolle spielen, als beim Fotoapparat. Ich gehe schon davon aus, dass sich die Ingenieure der Mobilgeräte etwas denken, wenn sie Sensoren mit 100MP verbauen. Aber da einen direkten Vergleich zur Auflösung eines MFT-, APS-C- oder Vollformatsensors zu ziehen geht weit über Äpfel mit Birnen vergleichen hinaus. Von daher wäre es interessant einen Bericht über die Analyse eines 100-MP-RAW-File eines Smartphones zu lesen. Ich kann lediglich RAWs meines 12MP iPhone 8 mit Aufnahmen meiner MFT-Kameras vergleichen und da liegen die Unterschiede der Detailschärfe im Rahmen des anhand des Auflösungsunterschieds Erwartbaren.
Ich gehe davon aus – und jetzt kommen zu meiner subjektiven Meinung –, dass aus dem großen Consumer-Markt Digitalkamera an vergleichsweise kleiner Markt an Werkzeugen für Berufsfotografen und anspruchsvolle Amateure wird. Ich hoffe, dass die verbleibenden Marken dann wieder ausreichend profitabel arbeiten können. Die Innovations-Feuerwerke der letzten Jahre werden dann Geschichte sein, was aber mehr eine Tragödie für die Techno-Freaks sein dürfte, als für diejenigen die wirklich an der Fotografie interessiert sind. Wahrscheinlich werden sich die Technik-Verliebten sogar von der Fotografie abwenden und sich ein anderes Feld suchen, in dem sie ihrer Leidenschaft frönen können.
Ich träume nicht davon, dass bis dahin alle derzeitigen Kameramarken Bestand haben werden. Wir werden weitere Marken sterben sehen. In einer idealen Welt finden wir unter den Überlebenden Mittel- und Vollformat, APS-C und MFT. Alles andere wäre ein Verlust an Vielfalt. Eine große Auswahl an gleichem ohne echte Alternative wäre Schwachsinn.
Für mich persönlich sehe ich keinen Weg zurück zum Vollformat. Die Kosten/Nutzen-Rechnung stimmt einfach nicht. Mit Kosten spreche ich nicht vom monetären Preis. Vielmehr beziehe ich mich darauf, dass ich eine schwerere und weniger flexible Ausrüstung mit mir herumtragen müsste, ohne dabei in nennenswertem Ausmaß sichtbar bessere Resultate zu erzielen.
Ich bin jetzt über 50. Ein Alter in dem schon viele von Rücken- und/oder Gelenkschmerzen geplagt werden und leider können davon oft schon bedeutend Jüngere ein Lied singen. Ich sitze zu viel am Computer, habe zu wenig Bewegung und meine Ernährung könnte besser sein. Ich kann mir nicht mehr beliebig Gewicht umhängen, ohne Beschwerde oder sogar gesundheitliche Folgen zu riskieren. In den vergangenen Monaten hatte ich wiederholt Gelenkschmerzen unter anderem in den Fingern. Bei schmerzenden Gelenken macht es durchaus einen Unterschied, ob ich längere Zeit mit der E-M1X oder E-M1 III fotografiere, auch wenn der Gewichtsunterschied gerade einmal ein halbes Kilo ist. An Vollformat mag ich da nicht denken.
Natürlich kann man jetzt einwenden, dass es einem egal ist, wenn ein alter Knacker keine Vollformatkamera mehr stemmen kann. Aber auch Egoisten sollten darüber nachdenken, ob sie ihren eigenen Apparat in 10 Jahren noch genau so mühelos stemmen können, wie jetzt. Wenn man schon über die Zukunft eines Systems in das man investiert nachdenkt, dann wäre es dumm diesen Aspekt zu ignorieren.
Hinzu kommt, dass ich mir in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wie diesen – als Autor arbeite ich auch nicht in einer Branche mit absolut gesicherter Zukunft – das teure Abendteuer eines Systemwechsels gar nicht leisten möchte – ich fände es ziemlich fahrlässig. Nicht zuletzt auch deshalb, weil niemand garantieren kann, dass das System zu dem ich wechseln würde, das System das ich verlasse überlebt.
Natürlich würde ich die Sache anders betrachten, wenn ich erst in ein System einsteigen wollte. Wer da wirklich nach der sichersten Karte sucht, dem kann ich nur zu Canon und Sony raten. Ob es jedoch klug wäre, sich wegen eventuell besseren Zukunftschancen zu entscheiden, obwohl ein anderes System viel besser zu einem passen würde und man mehr Freude damit hätte, steht auf einem anderen Blatt.
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